Die letzte Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G 2000) datiert aus dem Jahr 2018. Nach vier Jahren Pause hat die Umweltministerin (BMK) nun einen Begutachtungsentwurf vorgelegt, der – zumindest gemessen an dem, was man von einer UVP-Novelle erwarten darf – das Zeug zum großen Wurf hat. Es soll schnellere Verfahren geben, allerdings auch definitiv mehr UVP-pflichtige Vorhaben.
Vereinfacht gesagt arbeitet sich der Entwurf an den Themen Klimaschutz, Bodenverbrauch, Verfahrensbeschleunigung und Energiewende ab. Bei den zwei erstgenannten Themen stehen Verstrengerungen an, bei den zwei letztgenannten zum Teil maßgebliche Erleichterungen. Darüber hinaus soll – wie immer motiviert durch EU-Vertragsverletzungsverfahren und richterliche Rechtsfortbildung – an vielen kleineren und größeren Schrauben der UVP-Mechanik gedreht werden. Im Folgenden die ersten Highlights:
„FAST TRACK“ FÜR ERNEUERBARE ENERGIEN
- Ziel ist die Beschleunigung von „Vorhaben der Energiewende“, also zB Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke, Speicher und Leitungen. Nicht geregelt – weil eben nicht UVP-pflichtig – sind Photovoltaikanlagen. Die Freude darüber soll aber nicht verdecken, dass wir für die großangelegte Umsetzung von PV-Anlagen außerhalb der UVP ein modernes Anlagenrecht so dringend wie einen Bissen Brot brauchen.
- Windkraftanlagen sollen – so der Novellenentwurf – nicht durch fehlende Landes-Raumplanung ausgebremst werden: Hat das jeweilige Bundesland Vorrangs- oder Eignungsflächen ausgewiesen, die „im Einklang“ mit den Erneuerbaren Ausbauzielen stehen, können die Vorhaben umgesetzt werden, selbst wenn die Flächenwidmung der Gemeinde fehlt. Aber auch ohne Zonierung durch das Land und ohne Flächenwidmung durch die Gemeinde können Projekte, mit Zustimmung der Standortgemeinde verwirklicht werden. Entgegenstehendes Landesrecht soll dabei außer Betracht bleiben.
- Vorhaben der Energiewende dürfen weiters nicht am Landschaftsbild scheitern, wenn im Rahmen der Energieraumplanung bereits vorher eine Strategische Umweltprüfung erfolgte. Es ist zu vermuten, dass das BMK auch hier davon ausgeht, dass entgegenstehendes Landesrecht unangewendet bleiben soll.
- Gleichzeitig wird für diese Vorhaben ex lege ein hohes öffentliches Interesse attestiert. Es ist zu erwarten, dass diese Wertung des UVP-Gesetzgebers auch auf die naturschutz-, forst- und wasserrechtlichen Interessenabwägungen durchschlägt.
- Beschwerden gegen UVP-Genehmigungen für Vorhaben der Energiewende kann unter erleichterten Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung aberkannt werden. Die Projekte können dann unmittelbar nach behördlicher Bewilligung umgesetzt werden, sofern das Bundesverwaltungsgericht in einem beschleunigten Verfahren die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bestätigt.
KLIMASCHUTZ
- Die Emission von Treibhausgasen ist – so wie bei anderen Schadstoffen auch – nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Hier wird es künftig verstärkt um Klima- und Energiekonzepte, Energieeffizienz, aber auch Reduktionsmaßnahmen gehen.
- Bei Straßen, Eisenbahnstrecken, Starkstromwegen etc. wird es dabei laut Erläuterungen primär um die Treibhausgasemissionen der Bauphase gehen.
- Der Regelungsansatz der Novelle ist durchaus nachvollziehbar, allerdings darf auch weiterhin nicht erwartet werden, dass das UVP-G – was nun die Beschränkung von Treibhausgasemissionen anbelangt – der Gamechanger in Sachen Klimawandel wird. Der größere Beitrag ist da schon durch die oben beschriebenen Versuche eines „fast track“ für Erneuerbare zu erwarten.
BODENVERBRAUCH
- Die Inanspruchnahme neuer Flächen und die Versiegelung des Bodens sind – nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. die Erläuterungen) – zu minimieren.
- Für Industrie- und Gewerbeparks, Einkaufszentren, unimodale Logistikzentren und Parkplätze sind bei herabgesetzten Mengenschwellenwerten Einzelfallprüfungen im Hinblick auf die Schutzgüter Fläche und Boden durchzuführen. Die Folge werden noch mehr UVP-Feststellungsverfahren und noch mehr UVP-Genehmigungsverfahren sein.
VERFAHRENSBESCHLEUNIGUNG
- Auch Kleinvieh macht Mist! Die Novelle umfasst viele kleine Maßnahmen, die in Summe tatsächlich das Potenzial haben, UVP-Verfahren zu beschleunigen oder zumindest etwas weniger komplex zu gestalten.
- Einwendungen von Parteien gegen ein UVP-Projekt müssen – egal ob nun ein Großverfahren durchgeführt wird oder nicht – innerhalb der Auflagefrist erfolgen. Das heißt vor der mündlichen Verhandlung ist bereits geklärt, ob bzw. welche Parteien Einwendungen eingebracht haben.
- Strukturierung des Verfahrens: Die Behörde kann für das Vorbringen der Parteien verfahrensgliedernde Fristen mit Teil-Präklusionswirkung setzen. Ergänzendes Vorbringen hat bis spätestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung zu erfolgen.
- Auch das Nachschieben von Vorbringen im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird beschränkt.
- Die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Entwicklung des Raumes (öffentliche Konzepte und Pläne) wird dann vereinfacht, wenn der Projektstandort bereits vorher im Rahmen einer Strategischen Umweltprüfung beurteilt wurde.
- Der Stand der Technik ist nun nicht mehr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „eingefroren“, sondern bereits ab Beginn der öffentlichen Auflage des Projekts. Damit sollen bei einem sich ständig weiter entwickelnden Stand der Technik Neuprojektierungen während des laufenden Verfahrens vermieden werden.
- Naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können in Konzeptform vorgelegt werden. Die nähere Konkretisierung kann erst nach UVP-Genehmigung vorgenommen werden. Die Umsetzung kann darüber hinaus in Form von Flächenpools – unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Ausgleichszahlungen – erfolgen.
- Bewilligte UVP-Projekte können noch vor ihrer Umsetzung im Weg eines bloßen Anzeigeverfahrens abgeändert werden, wenn es sich „insbesondere“ um technologische Weiterentwicklungen oder immissionsneutrale Änderungen handelt. In bestimmten Fällen können die Änderungen auch erst im Zuge der Abnahmeprüfung bewilligt werden.
AUSWEITUNG DER UVP-TATBESTÄNDE
Die UVP-Tatbestände werden – zum Teil aufgrund von Vertragsverletzungsverfahren bzw. höchstgerichtlicher Judikatur, aber auch zur Umsetzung des Ziels eines reduzierten Bodenverbrauchs – deutlich ausgeweitet. Wir dürfen künftig mehr UVP-Verfahren erwarten. Die Änderungen im Kurzüberblick:
- Verstrengerung für Abfallbehandlungsanlagen: die Aufbereitung von Bodenaushub wird UVP-pflichtig, unterschiedliche Deponiekompartimente sind zusammenzurechnen, die Zerkleinerung zur mechanischen Sortierung wird auf Kunststoffe eingeschränkt.
- Neuer UVP-Tatbestand für Stadt-Seilbahnen.
- Schigebiete: Speicherteiche sind bei der Beurteilung der UVP-Pflicht auch zu berücksichtigen.
- Hubschrauberländerplätze müssen künftig nicht nur dann in die Einzelfallprüfung, wenn sie in einem schutzwürdigen Gebiet liegen.
- Industrie- und Gewerbeparks: Herabsetzung der Mengenschwellenwerte samt Sondertatbestand zum Bodenverbrauch.
- Der Begriff des Städtebauvorhabens wird ausgeweitet, die Schwellenwerte herabgesetzt (Bodenverbrauch).
- Neuer Tatbestand für Bauvorhaben in der Kernzone von UNESCO-Welterbestätten.
- Neuer Tatbestand für unimodale Logistikzentren, bei denen der Transport primär über die Straße erfolgt.
- Sondertatbestand für Einkaufszentren hinsichtlich Bodenverbrauch.
- Niedrigere Schwellenwerte für Parkplätze (Bodenverbrauch).
- Wasserkraft in schutzwürdigen Gebieten muss bereits ab 2 MW in die Einzelfallprüfung.
- Neuer Tatbestand für große Rinderhaltungen.
- Rodungen und Trassenaufhiebe sind zusammenzurechnen.
Die Begutachtungsfrist läuft bis 19.9.2022.
Martin Niederhuber, Wien