Im Erkenntnis vom 22.12.2020, LVwG-S-1769/001-2020, setzte sich das LVwG Niederösterreich mit der Frage auseinander, wann Geruchs- und Rauchemissionen iSd § 2 Abs. 2 Bundesluftreinhaltegesetzes (BLRG) als „geringfügig“ einzustufen sind. Als Maßstab für die Geringfügigkeit ist die Unwesentlichkeit iSd § 364 Abs. 2 ABGB heranzuziehen.
Das BLRG regelt das Verbrennen biogener und nicht biogener Materialien außerhalb von Anlagen. Es beinhaltet die allgemeine Verpflichtung zur Luftreinhaltung (§ 2) und das Verbot des Verbrennens von Materialen mit gewissen Ausnahmen davon (§ 3). § 2 Abs. 2 regelt, dass Beeinträchtigungen und Belästigungen Dritter durch Rauch und üble Gerüche soweit möglich zu vermeiden sind. Bloß geringfügige Geruchs- und Rauchentwicklung gilt jedoch nicht als Beeinträchtigung oder Belästigung.
Ausschlaggebend für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren war ein zweimal wöchentlich durchgeführtes „mexikanisches Räucherritual“ im Garten einer Vereinsliegenschaft. Dabei wurden Papier, „Bockerln“ und Ästchen angezündet, das Feuer mit Wasser gelöscht und anschließend Haferflocken aufgelegt, welche durch die noch vorhandene Hitzeeinwirkung einen mit verbrannter Milch vergleichbaren Geruch erzeugten.
Von eben diesem Geruch fühlte sich ein Nachbar gestört und erstattete bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Anzeige gegen die Direktorin des Vereins. Die Bezirkshauptmannschaft stellte insgesamt acht halbstündige Verstöße gegen § 2 BLRG innerhalb eines Zeitraums von über sechs Monaten fest und erließ ein entsprechendes Straferkenntnis. Begründend wurde ausgeführt, dem Räucherritual seinen nicht bloß geringfügige, sondern massive und übelriechende Rauchschwaden entströmt und der Nachbar dadurch jedenfalls belästigt worden. Dagegen erhob die Direktorin des Vereins Beschwerde.
Der Sachverhalt war im Wesentlichen unbestritten, das LVwG hatte daher nur die Qualifikation der Geruchsemission zu beurteilen: Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass die gegenständlichen Gerüche vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 BLRG grundsätzlich umfasst sind. Fraglich war, ob die einschränkende Geringfügigkeitsklausel des § 2 Abs. 2 zweiter Satz BLRG zum Tragen kommt.
Eine Definition der Geringfügigkeit sucht man im BLRG vergebens. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff „geringfügig“ in anderen Gesetzen jedoch regelmäßig im Sinne von „verhältnismäßig geringfügig“, also im Verhältnis zu einem typischen Fall des Regelungstatbestandes nicht wesentlich ins Gewicht fallend. Ein solches Verständnis bietet sich dem LVwG-Erkenntnis zufolge auch für eine Interpretation des § 2 Abs. 2 zweiter Satz BLRG an.
Im Hinblick auf die Ziele des BLRG (dauerhafter Schutz der menschlichen Gesundheit sowie von Tieren, Pflanzen und wertvollen Sachen) und die Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs. 2 BLRG (auch das ortsübliche Ausmaß der Geruchsbelästigung ist zu berücksichtigen) liegt als Maßstab § 364 Abs. 2 ABGB nahe. Geruchsbelästigungen sind daher dann geringfügig, wenn sie nicht geeignet sind, eine wesentliche Beeinträchtigung iSd § 364 Abs. 2 ABGB hervorzurufen. Unwesentliche Beeinträchtigungen nach § 364 Abs. 2 ABGB sind dem LVwG-Erkenntnis zufolge somit auch „geringfügig“ iSd § 2 Abs. 2 zweiter Satz BLRG.
Im Ergebnis beurteile das LVwG Niederösterreich den innerhalb von sechs Monaten acht Mal halbstündig auftretenden Geruch von verbrannter Milch als geringfügig und hob das Straferkenntnis auf. Da es zur Frage der Geringfügigkeit iSd § 2 Abs. 2 BLRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt und es sich um eine Frage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung handelt, ist eine ordentliche Revision an den VwGH zulässig.
Maximilian Schlenk, Wien