In seiner Entscheidung vom 17.11.2020 zur Zahl Ra 2020/07/0054 bis 0055-8 hatte der Verwaltungsgerichtshof über ein rechtskräftig abgeschlossenes Bewilligungsverfahren aus dem Jahre 2011 abzusprechen. Der VwGH setzt sich mit der Bestimmung des § 42 Abs. 3 AVG auseinander, nämlich mit der Frage, ob diese Bestimmung auch auf nicht präkludierte Parteien anzuwenden ist.
Im Zuge der Errichtung einer Bahnunterführung beantragte die mitbeteiligte Partei eine Bewilligung zur Oberflächenentwässerung. Im unmittelbaren Nahbereich befindet sich die Liegenschaft der Revisionswerber. Diese sind als Rechtsnachfolger der Eltern der Zweitrevisionswerberin seit 6.12.2012 jeweils grundbücherliche Hälfteeigentümer der Liegenschaft, auf der sich ein Nutzwasserbrunnen befindet.
Die belangte Behörde beraumte eine mündliche Verhandlung für den 17.5.2011 an. Weder wurden die Rechtsvorgänger der Revisionswerber noch diese selbst zur Verhandlung persönlich geladen oder überhaupt dem Ermittlungsverfahren beigezogen. Die Behörde erteilte sodann die beantragte Bewilligung am 18.5.2011. Gegen den Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben. Im Kollaudierungsverfahren wurde die wesentliche Übereinstimmung der Maßnahmen mit der Bewilligung festgestellt (Bescheid 2.11.2015).
Die Revisionswerber beantragten mit Schreiben vom 26.3.2019 die Zustellung des Genehmigungsbescheides und führten aus, dass sie dem Verfahren als Parteien beigezogen hätten werden müssen, weil die Bauausführung der Bahnunterführung unmittelbare Auswirkungen auf den Wasserbestand der Liegenschaft hätte haben können und gehabt habe. In zwei weiteren Schriftsätzen vom 11. und 28.6.2019 begehrten die Revisionswerber die vollständige Zustellung des Bescheides vom 18.5.2011 einschließlich aller Bescheidbestandteile und erhoben jeweils Beschwerde.
Das LVwG Oberösterreich wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die Behörde habe zwar tatsächlich die mündliche Verhandlung vom 17.5.2011 nicht im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG doppelt kundgemacht, jedoch übersähen die Revisionswerber den Umstand, dass § 42 Abs. 3 AVG ausdrücklich von einer „rechtskräftigen Entscheidung“ im unmittelbaren Zusammenhang mit den Rechten einer dem Verfahren nicht beigezogenen Partei spreche und somit nach Eintritt der Rechtskraft der Bewilligungsbescheid auch gegenüber übergangenen Parteien gelte.
Der VwGH erachtete die Revision als zulässig, weil zur Frage, ob § 42 Abs. 3 AVG auf Verfahrensbeteiligte, die von der verwaltungsbehördlichen Verhandlung keine Kenntnis gehabt hätten und auch nicht hätten haben können, anwendbar sei, noch keine Rechtsfrage vorliegt.
Aus den Materialien geht hervor, dass die Bestimmung für Personen gedacht ist, die die mündliche Verhandlung versäumt haben und somit präkludiert sind. § 42 Abs. 3 AVG ist daher als „Quasi-Wiedereinsetzungsantrag“ in enger Anlehnung an § 71 Abs. 1 AVG konzipiert. Hingegen stehen Personen, die ihre Stellung als Partei nicht verloren haben, nach wie vor alle Rechtsverfolgungsmöglichkeiten offen und § 42 Abs. 3 AVG findet auf sie keine Anwendung.
Hinsichtlich der Rechtsnachfolge der Revisionswerber hat der VwGH entsprechend seiner bisherigen Judikatur festgehalten, dass das Wasserrecht weitgehend vom Grundsatz der Dinglichkeit gekennzeichnet ist. Demnach tritt der Rechtsnachfolger im Eigentum an einer Liegenschaft, mit welcher ein Wasserrecht verbunden ist (§ 22 WRG), in dieses Wasserrecht ein. Dies wurde allerdings auch vom LVwG nicht in Frage gestellt.
Weil den Revisionswerbern als übergangenen Parteien nach wie vor alle Rechtsverfolgungsmöglichkeiten offenstehen, hätte das LVwG die Beschwerde nicht zurückweisen dürfen. Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Christian Bernatzky, Salzburg
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